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Test: Lindell Audio LiNTEC, Vintage Program Equalizer

Röhrenklang ohne Röhre?

3. Mai 2024

lindell audio lintec test equalizer im tonstudio

Der Lindell Audio LiNTEC ist ein Hardware-Equalizer im Stil des klassischen Pultec Equalizers. Alleine bei AMAZONA.de haben wir massenweise Pultec Klone getestet und auch auf dem Plug-in-Markt sind unzählige Produkte verfügbar, um den speziellen Pultec Klang zu erreichen und natürlich auch erschwinglich zu machen. Doch die Schweden von Lindell Audio sind nicht angetreten, um „just another“ Pultec anzubieten. Das hier ist definitiv kein „Me too“-Produkt, schon alleine deswegen, weil der LiNTEC gänzlich auf Röhren verzichtet. Wie das funktionieren soll? Das macht uns doch definitiv neugierig, oder?

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Was ist der Lindell Audio LiNTEC?

Nun, der Lindell Audio LiNTEC ist ein Mono-Equalizer mit zwei regelbaren Frequenzbändern. Gemäß dem amerikanischen Vorbild von Pultec, genauer gesagt dem EQP-1A, haben wir es nicht mit einer klassischen Regelung mit Frequenz, Gain und eventuell Filtergüte (Q) zu tun, sondern man kann in den Bässen (20 Hz – 150 Hz) und den Höhen (1 kHz – 16 kHz) den Pegel erhöhen („BOOSTZ“) und absenken („ATTEN“).

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Beim ursprünglichen Pultec EQP-1A war ein Vermerk in der Bedienungsanleitung, man solle doch bitte nicht gleichzeitig eine bestimmte Frequenz anheben und absenken – und trotz Warnung hat man in den US-Studios der 50er- bis 80er-Jahren genau das gemacht. Diese Bedienung ist unter dem Namen „Pultec Trick“ bekannt und soll eine ganz spezielle Färbung und einen satten Drive bei tiefen Frequenzen ergeben. Auch die hohen Frequenzen würden so einen einzigartigen Charakter bekommen.

Lindell_LiNTEC_front_r

Technisch ist diese Eigenschaft genau genommen der Unzulänglichkeiten der Technik in den 1950er-Jahren zu verdanken: BOOST und ATTENUATION wirken nicht exakt im selben Frequenzbereich und produzieren eine bestimmte „Verbiegung“ des Frequenzganges und aufgrund der verwendeten Röhren noch einen Haufen harmonischer und unharmonischer Verzerrungen.

Lindell_LiNTEC_front_m

Das Ganze gepaart mit leichten Phasenverschiebungen und voilà: Fertig ist der Pultec Sound. Anhebung und Auslöschung beeinflussen sich bei diesen Geräten auf eine sehr charakteristische Art und Weise, die den Sound vieler Platten der Ära beeinflusst hat.

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Lindell_LiNTEC_VU_big

Hier ein YouTube Video, das zeigt, wie die Frequenzregler bei einem Pultec (Plug-in) den Klang beeinflussen:

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Mehr Informationen

Also, auf zum Händler und einen originalen Pultec EQP-1A bestellen, oder? Nein, sorry. Den bekommt man neu nicht mehr. Wenn überhaupt, dann muss man nach Dänemark zu Tube-Tech schielen: Dort hat man sehr genaue Nachbauten nach Originalplänen im Angebot und für geschmeidige 2.869,- Euro bekommt man den auch neu.

Kein Problem, dann also auf dem Gebrauchtmarkt nachsehen und spätestens bei deutlich über 4.000,- Euro für einen Pultec EQP-1A hat man wahrscheinlich hier auch die Lust schnell verloren:

Lindell_LiNTEC_Pultec_Reverb

Screenshot

Dazu kommt noch die anfällige Röhrentechnik mit garantierten Folgekosten. Und deswegen gibt es jetzt von Lindell Audio den LiNTEC: Ein Pultec EQP-1A ohne Röhren für nur 499,- Euro.

Lindell Audio LiNTEC: Ein Pultec ohne Röhren?

Wenn man auf digitale Tricks wie Sampling, Modeling oder Profiling verzichten möchte, dann gibt es auf analogem Weg nur eine Möglichkeit, dem Klang von Röhren so nahe wie möglich zu kommen: Transformer, zu gut Deutsch: Übertrager.

Lindell_LiNTEC_skribble

Beim LiNTEC haben wir einen sehr klassischen „Solid State“-Verstärker (mit Leistungstransformatoren), der das Signal über einen speziell für die Schweden entwickelten Übertrager schickt.

Ein Übertrager besteht – ähnlich einem Transformator – aus zwei Spulen unterschiedlicher Induktivität. Zwischen diesen Spulen findet eine breitbandige Signalübertragung über das elektromagnetische Feld statt. Diese Übertragung ist berührungslos – somit hat man zusätzlich eine galvanische Trennung im Gerät, die sich positiv auf das Rausch- und Brummverhalten auswirken kann.

Lindell_LiNTEC_OPA

Screenshot

Durch eine geschickte Wahl des Transistorverstärkers (hier: ein OPA 1731 Operationsverstärker) in Verbund mit einem passenden Übertrager kann dies eine sehr gute Kombination für ein dynamisches, aber dennoch warmes Klangbild sein – ohne die Nachteile der Röhren. So kann man den LiNTEC problemlos als Stereopaar betreiben, auch wenn das zweite Gerät erst später dazu erworben wird. Eine gealterte und eine neue Röhre würden unterschiedlich klingen. LiNTECs sind laut Hersteller auf ¼ Dezibel kalibriert und behalten die Messwerte innerhalb sehr enger Toleranzen.

indell_LiNTEC_1

Bedienung und Verarbeitung des LiNTEC Equalizer

Hier schon mal ein lautes „Hut ab“ an die Damen und Herren in Schweden: Trotz seines vergleichsweisen günstigen Preises sehe ich kaum einen Ansatz eines Rotstiftes. Die Frontplatte ist dick, stabil und sauber lackiert. Die Beschriftung mit Siebdrucktechnik ist deutlich abzulesen und die gerasterten Drehregler bestehen zwar aus Kunststoff, liegen aber satt in der Hand und geben dank einer Markierung genaue Auskunft über den eingestellten Wert.

Lindell_LiNTEC_VU

Das große VU-Meter leuchtet in schönem Vintage-Gelb und ist hinreichend schnell. Wie erwähnt, gibt es auf der Rückseite die Möglichkeit, den Zeiger zu kalibrieren.

Lindell_LiNTEC_studio_back2

Power-Schalter und Bypass rasten mit einem deutlichen Klacken ein und auch die Rückseite ist sauber verarbeitet. Nur die verbauten Klinkenbuchsen verstimmen mich etwas. Das Gerät ist symmetrisch zu verkabeln und da ist nach wie vor XLR der verbreitete Standard. Bitte beachten: Verkabele ich das Gerät mit Mono-Klinken, dann liegt der Pegel um 6 dB unter einer Verbindung mit symmetrischem Signalweg.

Lindell_LiNTEC_studio_Back

Wie klingt der Lindell Audio LiNTEC Equalizer?

Hier muss man zwei Faktoren beachten und bewerten:

1. Ist der Lindell Audio LiNTEC ein guter, im Tonstudio bereichernder Equalizer?
2. Wie klingt der LiNTEC nach Pultec Maßstäben?

Dazu habe ich einen kurzen Beat aus dem Roland MC-707 mit dem Sound einer 909 aufgenommen und durch den LiNTEC „gejagt“.

Den unteren Frequenzbereich auf 60 Hz gestellt, den Boost um 3 dB erhöht und gleichzeitig um 2 dB abgesenkt. Dazu bei 4 kHz mit einer breiten Kurve (Bandwidth auf 6) und einem Boost um 5 dB den Höhenbereich betont und bei ebenfalls 4 kHz um 2 dB „attenuiert“:

Das Ergebnis ist überzeugend: Die Kick-Drum gewinnt an Wärme und Druck – bleibt aber scharf umrissen und immer noch tight genug, um den Beat nach vorne zu treiben. Im Höhenbereich ein vergleichbares Ergebnis: Snare und HiHat gewinnen an Strahlkraft und Präsenz, ohne übertrieben zu wirken. Erfreulicherweise fügt der LiNTEC dem Signal kein Rauschen hinzu. Die sehr guten Messwerte zeigen sich hier in der Praxis.

Lindell_LiNTEC_switch

Somit kann ich für den Punkt 1 schon einmal grünes Licht geben. Der LiNTEC gefällt mir gut und lädt zum Experimentieren ein. Als „echtes“ Hardwaregerät kann man beidhändig BOOST und ATTEN bedienen und den gewünschten Sound erzielen. Ein weiterer Pluspunkt ist der breite Sweetspot des Equalizers: Selbst bei extremen Reglerwerten klingt das Gerät stets kontrolliert und ermöglicht so auch heftige Einstellungen im Frequenzband.

Und wie macht er sich als Pultec-Klon?

Ich hatte zwar schon einen Pultec in meinem Labor und auch einen Tube-Tech, aber man weiß ja, wie das ist mit der Erinnerung an Klang. Da kann man ganz schön daneben liegen. Und weil ich keines der genannten Originale besitze (so wie wohl 99 % unserer Leser), ist der Vergleich mit dem passenden Plug-in sicher auch interessant. Wie so oft setze ich hier auf Universal Audio mit der überzeugenden Pultec Passive EQ Collection, die auch einen EQP 1A beinhaltet. Dieses Plug-in hat einen Listenpreis von 327,- Euro, wird aber aktuell für günstige 42,- Euro angeboten – ein wahres Schnäppchen (Stand 04/2024).

UAD Pultec EQs

Wie erwähnt, kostet die Lindell Audio Hardware 499,- Euro für einen Mono-Kanal und man muss mit den entsprechenden Einschränkungen leben (Vorwärmzeit, Verkabelung etc.), während man das Pultec Plug-in von UA beliebig oft in einem Projekt einsetzen kann. Das ist natürlich viel bequemer und sicher auch ein Grund, warum immer häufiger „in the box“ gemixt und gemastert wird. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden (frei nach Michael Ende „Die unendliche Geschichte“, 1979).

Also nehmen wir wieder unseren kurzen 909-Beat und legen das passende Plug-in in den Insert – natürlich mit identischen Reglereinstellungen:

Und dieser Unterschied ist schon deutlich und entspricht dem, was ich bei meinem Test mit der Hardware schon geahnt habe: Ausgegangen davon, dass das Plug-in dem Original nahe kommt, aber auch hier noch zu wenig „Unkontrolliertheit“ erzeugt, wirkt der LiNTEC schon in diesem Vergleich zu brav. Bei einem Pultec – insbesondere bei Anwendung des „Tricks“ mit gegenseitiger Beeinflussung der Filter – ist einfach mehr los.

Tegeler_EQP-1_Pultec_vintage

Der Pultec bietet mit seiner systembedingten Sättigung, seinen schaltungsbedingten Fehlern (nach heutigen Maßstäben) und dem sehr präsenten Röhrenklang viel mehr Entertainment.

Ja, der Lindell klingt ähnlich, aber viel cleaner. Aber dies nur im Vergleich zu den legendären Originalen. Preisbezogen bekommt man bei den Schweden aber schon sehr viel geboten und wie erwähnt: Das Spiel mit den Reglern ist durchaus unterhaltsam und führt stets zu guten Ergebnissen.

Conclusio

Unzählige Alben, Weltstars und legendäre Producer: Alle haben schon einmal mit einem Pultec Equalizer gearbeitet und so hat dieses Studiogerät die Musikhistorie maßgeblich beeinflusst. Wären diese Alben auch mit dem Lindell Audio LiNTEC so erfolgreich geworden?

Legendäre Studiogeräte haben ihren Ruf nicht umsonst bekommen – sie fügen der Musik dieses gewisse Etwas hinzu, was messtechnisch wie auch mit Worten nur schwer zu beschreiben ist.

Der Lindell Audio LiNTEC ist kein solches Gerät – dazu fehlt ihm dieses unerklärliche „Mojo“. Aber dafür bekommt man für einen mehr als fairen Preis einen „Pultec-Style“-Equalizer, der dem Original ähnlich kommt, identisch bedient wird, aber ohne die Nachteile einer solchen Rarität auskommen muss: Er ist zuverlässig, langlebig und klingt sehr gut, wenn man das Gerät nicht immer im Schatten des übermächtigen Pultecs betrachtet.

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Fazit

Der Lindell Audio LiNTEC ist ein sehr guter Mono-Equalizer im Pultec Style, der zwar nicht die klangliche Finesse und Unkontrolliertheit des Originals wiedergibt, aber dafür im Tonstudio viel Freude bereitet, ohne dass dafür der Bankberater konsultiert werden muss. Der Equalizer hat einen großen Sweetspot, macht Spaß in der Bedienung und ist ein echter Hingucker. Nur die Drehregler aus Kunststoff und die fehlenden XLR-Anschlüsse fehlen mir – ansonsten eine echte Empfehlung: gut!

Plus

  • guter Klang mit breitem Sweetspot
  • in der Bedienung nah am Original
  • saubere Verarbeitung
  • zuverlässige, langlebige und wartungsarme Technik
  • preiswert

Minus

  • Drehregler aus Kunststoff
  • nur TRS-Buchsen – XLR wäre besser.

Preis

  • 499,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    Faro

    Danke für den Test!
    Ich denke er würde sich gut machen, um die Snare im Insert meines SPL- MixDream zu verfeinern, eventuell sogar etwas zu übersteuern.😁

    Die fehlenden XLR’s wären für mich kein Problem, da sich der Gute eh mit meiner Patchbay vertragen muss.

  2. Profilbild
    janschneider

    Man bekommt übrigens sehr wohl noch einen “originalen” Pultec neu (so man denn $4500+ hat…):
    https://pulsetechniques.com/products/tube-equalizers/eqp-1a/

    “natürlich mit identischen Reglereinstellungen”: so kann man imho absolut nicht vergleichen… erst einmal bezeichnen die Skalen bei Boost und Atten keine dB. Das ist einfach nur eine Skala von eins bis zehn, hinter der sich je nach Band und Funktion unterschiedliche dB-Werte verbergen (siehe auch link oben). Es ist sehr wahrscheinlich, dass es da zwischen dem Plugin und der HW Unterschiede gibt, und das hört man auch in den Beispielen imho deutlich, das ist kein “mojo”, sondern hauptsächlich andere Werte bei den resultierenden EQ-Kurven, das Plugin hat zB mehr Tiefbässe, die HW imho dagegen mehr Sättigung ebendort.
    Wenn man das wirklich ernsthaft vergleichen wollte, müsste man schon zB mit Plugin Doctor die Kurven so weit wie möglich angleichen, was natürliche Aufwand ist.

  3. Profilbild
    Nvelope

    Interessantes Gerät in einer von vielen noch bezahlbaren Preiskategorie – und ich denke, dass es für dieses Geld auch wirklich gut ist.
    Zu “Drehregler aus Kunststoff‘: es sind in der Tat schon eher billig aussehende Drehknöpfe – sowas ähnliches nutzte ich schon vor mehr als 50 Jahren für meine selbst gebauten Geräte.
    Diese sollten bei einem Gerät von 500 € schon in Metallausführung sein . . .
    Doch: sind es auch die POTIS selbst, die in billiger Plastikausführung sind? Oder eben nicht die REGLER, sondern nur die Regler-DrehKNÖPFE?
    Ein Foto des technischen Innenlebens (Regler, Platine etc.) wäre schon sehr interessant und aussagekräftig gewesen … !

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