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Test: Warm Audio WA-44, Bändchenmikrofon

Ein echtes Schwergewicht

1. Juli 2024
warm audio wa44

Warm Audio WA-44, Bändchenmikrofon

Das Warm Audio WA-44 ist eine originalgetreue Nachbildung des kultigsten Studio-Bändchenmikrofons aller Zeiten, so der übersetzte Beschreibungstest auf der Hersteller-Website. Der Urahn, das RCA 44BX war in den 1920er-Jahren schon eine gesetzte Größe in den Aufnahmestudios auf der Welt und laut Warm Audio kann man erst jetzt mit neuesten Materialien und modernen Fertigungsmethoden einen adäquaten Nachbau herstellen. Das WA-44 ist in jeder Hinsicht ein mikrofongewordenes Superlativ, das mich in vielerlei Hinsicht umgehauen hat. Bereitet euch auf einen ganz besonderen Testbericht vor!

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Worum geht es beim Warm Audio WA-44?

1920 – das ist über 100 Jahre her! Und damals war Tontechnik, Akustik und Studiotechnik noch in den Kinderschuhen. Die Physik war bekannt, aber diese in reale Produkte umzusetzen, war damals nur in komplexer Handarbeit möglich. Stellen Sie sich vor, wie in amerikanischen Fabrikhallen Tischreihe an Tischreihe von Arbeitern saßen und Stück für Stück die hauchdünne Bändchenfolie verbauten, die Verkabelung löteten und den Mikrofonkorb befestigten. Da war es wohl mehr Glück als Verstand, dass hier zum Schluss einer der Mikrofonklassiker der frühen 1900er-Jahre entstand – der sowohl Stimme, Verstärker als auch Schlagzeuge gleichermaßen aufnahm.

warm audio wa44 test bändchenmikrofon

Die Funktionsweise von Bändchenmikrofonen ist schnell erklärt: Eine sehr leichte, leitende Folie wird durch Schall zum Schwingen angeregt und induziert in einem Permanentmagnetfeld eine Spannung, die wiederum von Mikrofon-Preamps für das Tonstudio aufbereitet wird. Die Funktionsweise ist technisch vergleichbar mit einem Tauchspulenmikrofon und gehört zur Gattung der dynamischen Mikrofone. Und ganz wichtig: Wir brauchen KEINE 48 V Phantomspeisung!

Heutzutage ist niemandem klar, wie groß die alten Bändchenmikrofone waren und hier ist das RCA 44 keine Ausnahme. In dem ganz wunderbaren Film „O Brother Where Art Thou“ (2000) mit George Clooney in der Hauptrolle hat das RCA beispielsweise einen sehr prominenten Auftritt.

WarmAudio_WA-44_RCA

Original RCA 44BX

Und schon beim Auspacken ergreift mich die Ehrfurcht: Allein das Mikrofon mit U-Bügelhalterung wiegt 2,8 kg und ist von Gewinde bis zum Mikrofonkorb fast 32 cm hoch. Ein echter Gigant.

Die Ausstattung des Warm Audio WA-44

Das riesige Mikrofon kommt in einer schönen bedruckten Retail-Verpackung mit einer Tasche aus Gewebestoff, die wiederum ein Schaumstoff-Formteil beherbergt. Diese Tasche misst mit Griff nahezu 50 cm in der Höhe. Öffnet man diese mit einem Reißverschluss, „findet“ (unübersehbar) man das Mikrofon in einem Samtbeutel zusammen mit ein paar Warm Audio Aufklebern und einer 6-sprachigen Kurzanleitung.

WarmAudio_WA-44_package

Das Mikrofon selber hat keinerlei Bedienelemente und wird von einer schwenk- und drehbaren Bügelhalterung mit zwei Handschrauben gehalten. Denken Sie erst gar nicht an einen einfachen Schwenkarm-Mikrofonständer – dieser wird mit dem Warm Audio definitiv umkippen. Bei mir habe ich das WA-44 auf einem K&M 232BK Table Mikrofonständer montiert – eine sichere und stabile Lösung.

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Im massiven Mikrofonkorb arbeitet die 2,5 Mikron dünne Folie aus 99,1 % Aluminium in einem sehr starken Feld eines Neodymmagneten. Diese sind noch mal stärker, als die bei Bändchenmikrofonen üblichen AlNiCo (Aluminium, Nickel, Cobald) Magneten.

Die 60 mm lange Folie und der Magnet arbeiten mit einem CineMag Übertrager, der in den USA hergestellt wurde. Das WA-44 wird in Japan hergestellt und wird – wie bei den hochwertigen Warm Audio Produkten üblich – in Austin, Texas per Hand inspiziert und getestet.

WarmAudio_WA-44_inside

Sogar das fest angeschlossene Kabel ist besonders: Hergestellt bei der Gotham AG in der Schweiz, gehört es zu Premiumlinie des Kabelherstellers und ist in Sachen Kabeldicke und Abschirmung auf das Bändchen abgestimmt.

WarmAudio_WA-44_socket2

Wie bei einem Bändchenmikrofon üblich, haben wir es mit einer Mikrofoncharakteristik in Form einer Acht (8) zu tun. Das bedeutet, dass das WA-44 den Schall von Vorder- und Rückseite gleichermaßen aufnimmt und so der Aufnahmeraum eine sehr große Rolle spielt. Beim Einsatz des WA-44 sollte je nach Anwendung über den Einsatz eines Reflexionsfilters nachgedacht werden.

Wie schon im Test des Chameleon Labs 5603 festgestellt, spielen Bändchenmikrofone sehr leise bzw. es braucht schon eine Menge an Verstärkung, um anständige Pegel und Sättigung zu erreichen. Für schwächere Preamps empfiehlt Warm Audio den Warm Lifter, der bis zu 26 dB an analogem Pegel hinzufügen kann.

WarmAudio_WA-44_lifter

Warm Audio Warm Lifter

Der Mikrofonkorb mit internem Schutznetz ist aus Aluminium gefertigt und im Vintage-Stil verchromt. Die beiden Handschrauben lassen sich gut bedienen und so lässt sich das schwere Mikrofon sehr präzise im Anstellwinkel anpassen. Der bügelförmige Mikrofonhalter ist auf einem massiven Drehgelenk befestigt und die Fixierung des Kabels ist sehr massiv mit zwei Schrauben ausgeführt.

Was darf man vom Bändchenmikrofon WA-44 erwarten?

Zunächst einmal trainiert man mit dem Warm Audio WA-44 seine Bizeps, denn man muss zur Positionierung des Mikrofons kräftig zupacken. Wie erwähnt, ist es sehr unempfindlich und wird verhältnismäßig leise spielen, was einen kräftigen Mikrofonvorverstärker voraussetzt. In meinem Setup darf sich der SSL PureDrive Quad mit dem Warm Audio beweisen.

 

SSL_PureDriveQ_fs

SSL PureDrive Quad

Trotz der sehr leichten Membran klingen Bändchenmikrofone tendenziell dunkel – also ganz anders als erwartet. Insbesondere das WA-44 soll mit der Kombination aus Folie, Magnet, Übertrager und Kabel einen sehr warmen und nicht angefetteten Ton bieten.

Dazu kommt die Mikrofoncharakteristik der Acht, die die Signale von vorne und der Rückseite aufnimmt, was der Empfindlichkeit ebenfalls nicht hilft.

WarmAudio_WA-44_trio

In Sachen Einsatzgebiet ist man praktisch nicht eingeschränkt: Stimme, Schlagzeug, Bläser, Gitarrenverstärker, Klavier oder Perkussion sind für das WA-44 mit seinem maximalen Schalldruckpegel von 140 dB kein Problem.

Die technischen Daten sind ebenfalls „vintage“, denn schon der Frequenzgang mit 20 Hz bis 20 kHz, aber mit einer Abweichung von ± 12 dB zeigen, dass das WA-44 nicht in allen Lagen neutral spielt. Die Ausgangsimpedanz liegt bei moderaten 270 Ohm und der maximale Pegel, wie erwähnt, bei 140 dB.

Wie klingt das Warm Audio WA-44?

Zuvor die Testumgebung: In meinem Tonstudio ist das WA-44 an einen Kanal des SSL PureDrive Quad angeschlossen. Hier habe ich den Drive Mode auf neutral belassen und die Impedanz auf 1,2 kOhm gestellt. Zur Erinnerung: Als Faustregel gilt das 3- bis 5-fache der Mikrofonimpedanz (hier: 270 Ohm beim WA-44). Der SSL geht in das Universal Audio X6 unter Umgehung des internen Preamps, ohne weitere Effekte oder Filter.

Als Alternative habe ich das Lewitt LCT 640TS in Charakteristik Acht herangezogen um darzustellen, wie ein modernes Kondensatormikrofon im Vergleich klingt und dazu das klassische Shure SM58 Tauchspulenmikrofon – mit der Kugel als Charakteristik.

WarmAudio_WA-44_trio01

Alle drei Mikrofone wurden am SSL PureDrive Quad bestmöglich ausgepegelt und die Ergebnisse wurden in Universal Audio Luna im Detail angeglichen.

1. WA-44: Stimme

Krass, die Unterschiede sind heftig! Das Shure ist ausgeglichen mit zurückhaltenden Bässen und Höhen und einem sauberen, aber wenig detailreichen Mittenbereich. Im Vergleich ist das Lewitt eine echte Klanglupe. Trotz 8er-Charakteristik ist es reich an Details und bietet einen sehr neutralen Bass, Mitten und Höhenbereich. Nur eine ganz leichte Tendenz zu den oberen Mitten ist feststellbar.

Und das Warm Audio? Bassstark, in den Mitten präsent und … dumpf. Es ist überraschend, wie sehr das WA-44 ohne Equalizer Eingriff nach „Vintage“ klingt. Brummig, angedickt und sehr zurückgenommene Höhen. Man kann davon ausgehen, dass das Warm Audio deutlich detailreicher im Vergleich zum originalen RCA 44 klingt und somit wird klar: So war der Stand der Technik in den 1930er-Jahren.

2. WA-44: Gitarre

Hier sieht es vergleichbar aus: Das Shure, altbekannt als Allrounder, das seinen Platz auf den großen Bühnen der Welt sucht. In jeder Hinsicht ausgeglichen und es braucht eine Menge Pegel, damit es dynamisch überzeugt. Das Lewitt ist wieder einmal der Saubermann im Trio: modern, detailreich, fein- und grobdynamisch und sehr ausgeglichen.

Das Warm Audio WA-44 kommt mit der Gitarre etwas besser zurecht, als mit meiner ruhigen Lesestimme. Aber auch hier darf man sich nichts vormachen: Das ist ein Bändchenmikrofon nach Vorbild der frühesten Studiotechnik: Selbst harte Transienten werden gezähmt, dafür haben wir dicke und gesättigte Mitten und viel Bass.

WarmAudio_WA-44_combo

Screenshot

3. WA-44: Gitarre und Stimme mit EQ

Damit man sieht, wie viel Informationen das Mikrofon aufnimmt, habe ich einen ebenfalls im Test befindlichen Bettermaker Valve Stereo Passive Equalizer hinzugezogen und das Signal der Stimme und der Gitarre durch diesen EQ geschickt. Der Bettermaker ist hier eine gute Wahl, weil er kein neutraler, moderner Equalizer ist, sondern ebenfalls mit seiner Röhre sehr gesättigt und voll klingt.

So erhält man im Ergebnis auch keinen cleanen Klang, wie er beispielsweise aus dem Lewitt Mikrofon im Zusammenspiel mit einem SPL oder elysia EQ zustande käme, sondern ein Ergebnis voller Mojo, Seele und Drive.

Während des Printings habe ich jeweils die Höhen und die Bässe nacheinander herausgenommen, um den Unterschied deutlicher hörbar zu machen.

WarmAudio_WA-44_top

Anmerkung: Während des „Spielens“ mit dem Warm Audio WA-44 und dem Bettermaker VSPE (Valve Stereo Passive Equalizer) musste ich häufig grinsen. Ich kam mir vor wie in einer Zeitmaschine, als analog noch ANALOG war und man bemüht war, aus der bestehenden Technik, das Bestmögliche herauszukitzeln und nicht (wie heute) in eine im Grunde perfekte Aufnahme noch mehr oder weniger Effekte hinzuzufügen.

Leider sind die Anwendungsfälle für so eine Kombi sehr rar und bei einem Preis von 1.179,- Euro für das Mikrofon und stolzen 3.599,- Euro für den Bettermaker stellt man sich so etwas auch nicht mal eben so ins Tonstudio. Schade eigentlich.

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Fazit

Was für ein Mikrofon! Groß, schwer und so eigensinnig wie ein alter Esel. Aber in seiner Sturheit auch genauso liebenswert. Das Warm Audio WA-44 braucht einen leistungsfähigen Vorverstärker und genug Pegel, um überhaupt zu klingen und auch dann hat es modernen Mikrofonen nichts zu tun. Aber mehr 1930er-Charme geht nicht: Das Warm Audio Team hat hier eine echte Rarität in die Neuzeit katapultiert und alles aus der alten Zeit mitgenommen, was möglich ist. Zusammen mit einem passenden Equalizer eine sehr spezielle Traumkombination. Nach aktuellen Mikrofonmaßstäben leider nur ein „gut“, aber mein Herz schreit „kaufen, sofort!“. Ich hatte selten so viel Freude bei einem Test – danke an Warm Audio!

Plus

  • mehr Vintage geht nicht
  • originalgetreuer Klang der frühen Tontechnik
  • traumhafte Verarbeitung

Minus

  • groß
  • schwer
  • sehr eigensinnig (siehe Text)

Preis

  • 1.179,- Euro
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Kundenbewertung:
(2)
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  1. Profilbild
    Stratosphere AHU

    Technisch macht es sicherlich Freude ein etwa 100 Jahre altes Mikrophon möglichst originalgetreu nachzubauen, nur wer braucht so was ?
    Ich bin sehr froh nicht mehr mit den Einschränkungen der damaligen Zeit leben zu müssen. Selbst günstige Mikrofone von z.B. Lewitt oder Weissklang geben die Realität deutlichst besser wieder als das WA-44.
    Für mich ist das ein EffektMikrofon für 30er Jahre Klang. Wer so etwas braucht, wird es kaufen.

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