ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Interview: Jessica Kert, Synthesizer-Musikerin aus SchneidersLaden

Vom Synthesizer-Newbie zum Brancheninsider mit eigenen Workshops

13. Juli 2024

Jessica Kert im Interview. Jeder, der schon einmal in SchneidersLaden war, wird an ihr nicht vorbeigekommen sein, denn Jessica Kert ist die nette Brünette hinter der Ladentheke. Doch die Wahlberlinerin mit bayrischen Wurzeln ist nicht nur im alltäglichen Ladengeschäft aktiv, sie gibt auch Workshops, in denen interessierte Kunden lernen können, in die Welten modularer Synthesizer einzutauchen.

ANZEIGE

Was mich besonders erstaunt hat, war, dass Jessica vor ihrer Tätigkeit in SchneidersLaden im Grunde nichts mit Synthesizern am Hut hatte. Aber wer an der Quelle arbeitet, wird zwangsläufig mit dem Synthesizer-Virus infiziert und so entwickelte die Musikerin eine Leidenschaft für elektronische Musik und modulare Synthesizer, die sie heute sowohl in ihren Songs als auch in den deutschlandweiten Workshops teilt.

Ich habe mit Jessica Kert im Interview über ihren musikalischen Werdegang, ihr Setup und ihre Tipps für Modular-Einsteiger gesprochen. Doch natürlich waren auch SchneidersLaden, kuriose Anekdoten aus dem Ladenalltag und die Superbooth, auf der Jessica schon mehrmals live zu sehen war, Themen unseres Gesprächs.

Von der Party-Gitarre zum modularen Synthesizer:

Jessica Kerts Weg in die Musik

Sonja:
Wie bist du zur Musik gekommen?

Jessica:
Aufgewachsen bin ich in einer Kleinstadt in Bayern – da gab es nicht viel zu tun für einen jungen Menschen, außer durch die Wälder zu streifen. Man traf sich mit Freunden in Partykellern & Garagen und wir spielten so ziemlich jedes Instrument, was wir in die Finger bekommen haben, von Gitarre bis Schlagzeug. Organisierten gefühlt jeden Tag irgendeine Party oder spielten auf dem einen oder anderen Dorffest.

Sonja:
Du arbeitest ja hauptsächlich mit modularen Synthesizern. Viele fürchten sich vor diesen Geräten und seien wir mal ehrlich: Der Aufbau ist oft ein Fass ohne Boden. Wie bist du in die Welt der modularen Synthesizer gerutscht und was macht für dich den Reiz modularer Systeme aus?

Jessica:
In die Welt der elektronischen Musik und modularen Synthesizer bin ich erstmalig eingetreten, als ich vor 10 Jahren anfing, bei SchneidersLaden zu arbeiten. Ich war total ahnungslos und hatte so gar keinen Schimmer, was denn eigentlich ein modularer Synthesizer ist, geschweige denn, wie man dieses Instrument benutzt. So verbrachte jede freie Minute und zahllose Nächte bei uns im Showroom, um das herauszufinden. Das für mich reizvolle an diesem Instrument ist die absolute Freiheit. Man legt seine eigenen Regeln fest und stellt sich sein Instrument nach den eigenen Bedürfnissen zusammen. Der physikalische Aspekt, Kabel stecken, Knöpfe drehen macht einfach Spaß. Auch braucht man keinerlei Vorkenntnisse – wirklich jeder kann das lernen.

ANZEIGE
Jessica Kert Modular Synthesizer

Wer einmal Blut geleckt hat, kann die Finger nicht mehr von den Kabeln lassen

Sonja:
Mit welchen Modulen hast du begonnen und auf welche würdest du heute auf keinen Fall mehr verzichten wollen?

Jessica:
Angefangen hat alles mit einem Doepfer LC9-Case, Doepfer A-119 External Input, Make Noise Erbe-verb sowie Make Noise Maths, wovon ich heute keines mehr besitze. Zu dieser Zeit war Verbos Electronics zu Besuch in Berlin und gab bei Central Music, der heute leider durch einen Späti ersetzt wurde, einen Workshop, um deren System vorzustellen. Am Ende des Abends kam Sonja Verbos auf mich zu und bot mir an, ihr System mit nach Hause zu nehmen, um es ausprobieren zu können. MEGA! So war es dann um mich geschehen. Ich verkaufte alles, um mir den Verbos Complex Oszillator als auch Multistage zu kaufen, auf die ich heute auf gar keinen Fall verzichten würde.

Der lange Weg zum perfekten Modular-Setup

Sonja:
Wie sieht dein Setup im Moment aus und wie lange hat es gedauert, das aufzubauen?

Jessica:
Als Sound-Generatoren nutze ich den Verbos Complex VCO, Sample Player „ONE“ von TipTop Audio. Meine perkussiven Sounds mache ich mit Hilfe des Quad VCAs von Catalyst Audio Model 110, den unterschiedlichen Noise Sources des Verbos Random & Sample, welches mir unter anderem gleich noch ein wenig Randomness und ein analoges Shift-Register bietet.

MFB Bass-522 auch als Snare sowie TipTop BD909 sind meine Drum-Module. Gesteuert werden diese sowohl vom TipTop Audio Circadian Rhythm als auch dem Doepfer Clock Divider A-160-2. Verbos Electronics Multistage nutze ich auch als Sequence-Selector ich für Melodien, Bass-Lines und um meine Verbos Multi-Envelope zum Leuchten zu bringen. Filter mit gleich eingebautem VCA sind der Variable Slope von Serge, Amp& Tone von Verbos Electronics als auch Z-2040 von TipTop Audio. Auch der HighPass40 von Bubblesound ist mit dabei.

Modular Setup Jessica Kert

Als Audiomixer nutze ich den Model 106 von Catalyst Audio und für ein wenig Modulation und Bewegung den Doepfer LFO A-147-2. Als Interface/Output-Module das nw2s, um meine Audiosignale über einen Desktop-Mixer in die Außenwelt zu tragen. Mein Instrument zusammenzustellen, dauerte etwa 3 Jahre.

Sonja:
Was würdest du Leuten raten, die sich ein modulares System aufbauen wollen?

Jessica:
Zu allererst sollte man sich darüber belesen, wer denn eigentlich die ersten Synthesizer und modularen Synthesizer gebaut hat. Wer waren die Leute dahinter und welche musikalische Philosophie verfolgten diese? Ein jeder Euro-Rack-Hersteller ist hiervon inspiriert. Dazu addiert werden dann natürlich deren eigene Ideen und Vorstellungen. Hierbei kann man zumindest schon einmal herausfiltern, mit welcher Denkweise man am meisten übereinstimmt. Auch sollte man durchaus ein Ziel haben oder zumindest eine Art Idee, was man denn eigentlich musikalisch will. Hier kann man sich auch gerne Vorbilder nehmen, Musikerinnen und Musiker, die man selbst gerne hört.

Sonja:
Welches Gerät würdest du mit auf eine einsame Insel (selbstverständlich mit dauerhaft gesicherter Stromversorgung) nehmen?

Jessica:
Ein Buchla 200e System.

Sonja:
Bisweilen zerfleischen sich die Musiker bei der Frage danach, ob Oszillatoren analog oder digital gesteuert werden sollten? Wie stehst du zu dieser Frage und was denkst du über derartige „Glaubensfragen“ im Allgemeinen?

Jessica:
Generell meine ich, dass man als kreativer Mensch offen für alles sein sollte. Am Ende sind es ja alles nur Werkzeuge – sei es eine Leinwand und Pinsel, digital oder analog, ein modularer Synthesizer. Die Person dahinter haucht dem Ganzen letztendlich das Leben ein. Als Musikerin stelle ich mir eher die Frage, welche Tools brauche ich, um meine musikalische Idee umsetzten zu können – da ist alles erlaubt.

Der Job in SchneidersLaden

Sonja:
Synthesizer-Fans aus aller Welt dürften dich ja als das freundliche Wesen hinter dem Tresen in SchneidersLaden kennen. Wie bist du an diese Stelle gekommen?

Jessica:
Ein glücklicher Zufall. Mein damaliger Nachbar und Freund Andrew hatte in dieser Zeit für Andreas Messemöbel angefertigt. Ich, mehr oder weniger frisch aus dem Studium kommend, war auf Jobsuche und SchneidersLaden auf der Suche nach einem neuen Team-Mitglied. So kam dann eins zum anderen. Andreas lud mich auf ein Gespräch ein, gab mir einen ausführlichen Ladenrundgang mit allem drum und dran und 2 Wochen später der erlösende Anruf: Du hast den Job.

Sonja:
In SchneidersLaden tummeln sich viele kreative Menschen und sicherlich gibt es hier einiges zu erzählen. Was war das Lustigste, Kurioseste oder auch Dümmste, was du hier erlebt hast?

Jessica:
Oha, diese Liste ist lang. Der Klassiker ist, dass Kunde eine Notiz für uns hinterlässt, auf gar keinen Fall die Rechnung mit ins Paket zu legen, damit die Frau nicht herausfindet, wie viel Geld er den jetzt schon wieder ausgegeben hat. Oder Kunde kauft sich Eurorack-Modul und ruft ganz erschüttert an, weil er jetzt nicht weiß, wie er dieses an sein Mischpult anschließen kann. Jedoch sind die witzigsten Situationen unter uns Kollegen, da plaudere ich nun aber nicht aus dem Nähkästchen.

SchneidersLaden und die Superbooth

Sonja:
Als Mitglied von „Schneiders-Crew“ bist du selbstverständlich auch an der Organisation der SUPERBOOTH beteiligt und bist schon mehrmals dort live aufgetreten. Auch in diesem Jahr bist du wieder mit am Start. Was macht für dich das Besondere der SUPERBOOTH aus und weswegen sollten Synth-Fans aus aller Welt diese Messe besuchen?

Jessica:
Sicherlich haben wir dort alle unsere Rollen zu tragen, jedoch an der Organisation selbst ist die SchneidersLaden-Crew nicht beteiligt. Wir sind schon genug damit beschäftigt, den Laden am Laufen zu halten.

Diesen Job übernehmen Andreas, Andre Kaufmann, Alexander Voy, Thomas Brandes & Toni Gogin welche es jedes Jahr aufs Neue schaffen, ein gigantisches Festival auf die Beine zu stellen. Mittlerweile sind es 230 Hersteller aus 39 Ländern, die über drei Tage lang voller Energie ihre elektronischen Instrumente ausstellen, vorführen und jedem, der interessiert ist, Rede und Antwort stehen. Selbst anfassen und ausprobieren natürlich eingeschlossen. Paradiesisch, wenn man sich in der Welt der elektronischen Musik zu Hause fühlt. Noch dazu das üppige musikalische Programm auf den unterschiedlichsten Bühnen. Da ist für jeden Musikgeschmack etwas dabei. Teilen von Wissen in unterschiedlichsten Workshops, die angeboten werden. Das ist wirklich weltweit einmalig.

Jessica Kert Workshop

Jessica Kert in ihrem Element: In Workshops erklärt sie Interessierten die Welt der modularen Synthesizer

Sonja:
Was sind deine musikalischen Pläne für die Zukunft?

Jessica:
Auf jeden Fall plane ich mehr Live-Konzerte mit einem Buchla 200e System in Quad-Sound zu spielen. Ansonsten: mehr Musik! Ich nehme ständig Songs auf, mit der Absicht, diese zu veröffentlichen. Einen bestimmten Plan habe ich hierfür nicht. Es kommt auf mich zu.

Sonja:
Gibt es etwas, das du den Menschen dort draußen unbedingt noch mit auf den Weg geben möchtest?

Jessica:
Ja! Ich zitiere von einem T-Shirt, das ich kürzlich sah: Make waves not war!

Vielen Dank an Jessica Kert für dieses tolle Interview. Wer also Lust hat, mal einen Workshop bei ihr zu besuchen und mit ihr gemeinsam in die Welt modularer Synthesizer abzutauchen, findet die aktuellen Termine hier.

ANZEIGE
ANZEIGE
Affiliate Links
Tiptop Audio BD909
Tiptop Audio BD909
Kundenbewertung:
(9)
Doepfer A-160-2 Clock Divider II
Doepfer A-160-2 Clock Divider II
Kundenbewertung:
(60)
Verbos Electronics Voltage Multistage
Verbos Electronics Voltage Multistage
Kundenbewertung:
(2)
Forum
    • Profilbild
      Jens Hecht RED

      @cellbiol Bei mir funktionert der Link, aber schadet sicherlich nicht ein bisschen Welle für Stromkult zu machen :)

  1. Profilbild
    Aljen AHU

    Danke für Euer Gespräch! Endlich weiß ich, wen ich letzten Winter in der Leitung hatte, als ich per Mail ein paar Fragen stellte und als Antwort nur eine kurze Rückfrage kam: „Können wir telefonieren?“

    Eigentlich mag ich am besten den Kommunikationsweg, den ich anstoße, und Telefonieren gehört bei mir selten dazu. Aber das war ein absolut informatives, witziges, cooles Telefonat. :-)

  2. Profilbild
    Jens Hecht RED

    Wie immer ein sehr schönes Interview, fast schon etwas zu kurz ;) Musste bei der Antwort auf die Frage nach kuriosen Momenten im Schneidersladen laut lachen :D

  3. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Super Interview, hätte gern ausführlicher sein dürfen. Und Hörtips von so profunden Insiderinnen fände ich auch klasse und was sie aktuell musikalisch beeindruckt etc. Produktionstips, Modulartips, etc etc. Wenn schon mal die Profis vorm Mikro sind;)

Kommentar erstellen

Die AMAZONA.de-Kommentarfunktion ist Ihr Forum, um sich persönlich zu den Inhalten der Artikel auszutauschen. Sich daraus ergebende Diskussionen sollten höflich und sachlich geführt werden. Es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung. Wir behalten uns die Löschung von Inhalten vor. Dies gilt insbesondere für Inhalte, die nach unserer Einschätzung gesetzliche Vorschriften oder Rechte Dritter verletzen oder Diffamierungen, Diskriminierungen, Beleidigungen, Hass, Bedrohungen, politische Inhalte oder Werbung enthalten.

Haben Sie eigene Erfahrungen mit einem Produkt gemacht, stellen Sie diese bitte über die Funktion Leser-Story erstellen ein. Für persönliche Nachrichten verwenden Sie bitte die Nachrichtenfunktion im Profil.

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
X
ANZEIGE X